3 Troop, Eastbourne, Mai 1943 (John Envers)
3 Troop, Eastbourne, Mai 1943 (John Envers)

Kurzgeschichte der Einheit

Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde der Deutschsprachigen-Trupp im 10. Commando durch eine Initiative des deutschstämmigen Lord Louis Mountbatten gegründet. Dessen Vater war als Louis von Battenberg, Großherzog von Hessen-Darmstadt, nach England gekommen und schließlich Erster Seelord geworden. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs musste er zurücktreten und anglisierte seinen Namen in Mountbatten. Mit diesen Erfahrungen aus der eigenen Familie lag dem jungen Mountbatten daran, nun während es Zweiten Weltkriegs Flüchtlingen aus dem deutschen Sprachraum weitere Diffamierungen und Opfergefühle zu ersparen und ihnen eine eigene militärische Grundlage zum aktiven Kampf gegen Hitler anzubieten.

1942 wurde der Marineoffizier Mountbatten als Chef der Stabsorganisation "Combined Operations" oberster Befehlshaber aller Commandoeinheiten. Unter seiner Verantwortung fand im August 1942 mit einem Angriff aller Waffengattungen auf den französischen Küstenort Dieppe eine Art Invasionsübung statt. Schlecht geplant und ausgeführt erbrachte sie wenig und kostete insgesamt fast 2 000 alliierten Soldaten das Leben.

An diesem amphibischen, von der Royal Airforce unterstützten Großangriff von rund 6 000 Landstreitkräften nahmen schon die ersten Angehörigen des 3. Trupps mit typischen Sonderaufgaben teil. Fünf mit englischen Tarnnamen verzeichnete Soldaten, bei denen es sich um "deutschsprachige Tschechen" (höchstwahrscheinlich also Sudetendeutsche) gehandelt haben soll. Laut Ian Dear hatte der mit dem Aufbau der Einheit beauftragte walische Captain Bryan Hilton Jones als erstes Kontingent acht Rekruten ausgewählt, von denen sieben aus dem Pioneer Corps kamen und mit dem Militärischen Nachrichtendienst im Kriegsministerium zusammengearbeitet haben sollen. Mit diesen acht plus dem Sergeant George Lane (einem Deutsch sprechenden Ungarn, der eigentlich Lanyi hieß und vorher für den Einsatz in der Geheimorganisation SOE ausgebildet worden war) soll Hilton-Jones am 24. Juli 1942 am ersten Stationierungsort Harlech in Wales angekommen sein.

Otto Hess war schon ab 12. April 1942 dem Commando-Depot in Achnacarry in Schottland zugeordnet worden. Nachdem Hilton Jones und Seargent Lane zunächst dort stationiert waren, dürfte auch er zu den "Gründungsmitgliedern" des 3. Trupps gehört haben.

Erster Einsatz 1942 und Trupp-Aufbau

Kurz nach dem Eintreffen des 3-troop-Nukleus in Harlech mussten fünf der acht schon für den Angriff auf Dieppe abgestellt werden. Hier praktizierte man erstmals das Einsatzprinzip für alle weiteren Einsätze des Trupps: die Männer wurden einzeln oder als kleine Teams Commando-Kampfeinheiten zugeteilt, wo sie sich auf vielfältige Weise nützlich machen sollten: mit ihren Kenntnissen der deutschen Kultur und Sprache, durch ihre besondere fachmilitärische Ausbildung, immer in vorderster Linie sowie bei Aufklärungsaufträgen und Sondereinsätzen. Beim Dieppe-Einsatz war es so, dass einer der Männer begleitet von zwei Commando-Sergeants alle greifbaren Unterlagen von Wert aus dem Hauptquartier der deutschen Truppen in Dieppe und möglichst auch eine der neuen deutschen Gasmasken besorgen sollten. Tragischerweise schaffte es keiner, seinen Auftrag auch nur annähernd zu erfüllen. Von den fünf kamen überhaupt nur zwei wieder zurück: die Männer mit den Tarnnamen Platt und Latimer. Platt war verwundet und wurde später der Versorgungsunteroffizier der Einheit. Latimer nahm an der Invasion teil und zeichnete sich später auf der Insel Walcheren aus.

Der weitere Aufbau des 3. Trupps scheint sich dann etwas verzögert zu haben. Offenbar lagen Mitte 1942 so viele Bewerbungen "für riskante Einsätze" aus den Ausländer-Kompanien des Pioneer Corps vor, dass das umfangreiche Auswahl- und Sicherheitsverfahren sich sehr lange hinzog. Entscheidend war die Befragung und Überprüfung der Kandidaten durch den Inlands-Geheimdienst MI5, wodurch die Aufnahme von Feindagenten verhindert werden sollte. In mehreren Schüben kamen kleinere Gruppen von neuen Truppangehörigen, bis im April 1943 schließlich die vorgesehene Stärke von 86 Mann erreicht war. Diese Männer waren aus einer Gesamtzahl von über 350 Bewerbungen ausgewählt worden. Bis zum Kriegsende dürften insgesamt mindestens 120 Mann in der Einheit gedient haben. Schließlich gab es durch die gefährlichen Einsätze immer wieder Verluste, die ersetzt werden mussten. Zuletzt zählte man 20 Tote und Vermisste und 22 Verwundete und Kriegsversehrte.

Bei der Aufnahme mussten jeder eine Erklärung unterschreiben, dass er das Todesrisiko kannte, das ihm bei Gefangennahme und Enttarnung drohte. Umso wichtiger waren dann Gaubwürdigkeit und Plausibilität der britischen Tarnnamen, Dokumente und Lebensgeschichten, zu denen die Soldaten großteils selbst beitragen konnten. Wer z. B. Englisch nur mit typisch deutschem Zungenschlag sprechen konnte, der sollte das mit einem walisischem, schottischen oder anderen in Deutschland kaum bekannten Akzent möglichst verschleiern. Bei den Tarnnamen galt die Regel, dass die Anfangsbuchsstaben des richtigen Vor- und Zunamens erhalten bleiben sollten und die Männer ihre neuen englischen Namen auch korrekt aussprechen konnten. So wurde z.B. aus Ascher Anson, aus Sauer Sayers, aus Wilmersdörffer Wilmers und aus Goldschmidt Groves (später Grant). Zusätzlich erhielten die Männer fiktive britische Militärgeschichten mit Personalnummern, Wehrpässen und Stammeinheiten, aus denen sie sich zu den Commandos gemeldet hatten und deren Regimentsabzeichen sie an ihren Baretten trugen.

Während Nazi-Flüchtlinge bei der Aufnahme in die Streitkräfte der Vereinigten Staaten auch US-Staatsbürger wurden, blieben die britischen Commando-Rekruten offiziell staatenlos. Die britische Staatsangehörigkeit wurde ihnen nach der Beendigung des Kriegszustands mit Deutschland zugesagt. 

Das kleine walisische Küstenstädtchen Aberdify (englisch: Aberdovey) war der Ort, an dem die zahlenmäßig größte Gruppe des 3. Trupps ausgebildet wurde. Neben Fitness und Ausdauer, Teamfähigkeit und Eigeninitiative standen folgende Punkte auf dem Ausbildungsplan: Einzelkämpfertraining mit lautlosen Kampftechniken, Orientierung bei Nacht und im Gelände, Überwinden hoher Hindernisse wie Mauern und Felswände, Öffnen von Schlössern, Ausbruch und Flucht, Waffenmechanik und Schießübungen, Einsatz von Spreng- und Explosivmitteln, Beherrschen kleinerer Boote, Fahren von Lokomotiven, Fallschirmspringen. Ein weiterer Schulungsschwerpunkt: Umfassendes Wissen über die deutsche Wehrmacht mit allen Waffengattungen, Einheiten, Dienstgraden, Befehlen und Kommandos sowie der Identifizierung deutscher Ausrüstung und Bewaffnung.

Der Truppführer "Skipper" Captain Hilton Jones war stolz darauf, nicht nur eine einzigartige Einheit innerhalb der britischen Armee zu kommandieren, sondern wohl auch die am besten ausgebildete!

 

Einsatz-Schwerpunkte 1943 bis 1945

Immer wieder wurden einzelne Männer anderen Commando-Einheiten für mehr oder weniger geheime Sonderaufgaben zugeteilt. War der Einsatz beendet und die Männer hatten überlebt, kehrten sie in der Regel wieder in den Trupp zurück. Manche verschwanden allerdings ganz aus der Einheit (wie Otto Hess, der schon Ende Oktober 1942 abkommandiert wurde). Das bedeutete, dass sie nun ganz einer Geheimorganisation wie der SOE oder dem SIS verpflichtet waren. Mit der häufigen Konsequenz: per Flugzeug oder mit dem Fallschirm, alleine oder mit einem Funker als Agent ins Feindesland...

Es gab auch getarnte halb militärische und halb geheimdienstliche Einheiten, zu deren Einsätzen Spezialisten aus dem 3 troop angefordert wurden. Dazu gehörte z.B. die Small Scale Raiding Force (SSRF), die vom Combined-Operations-Hauptquartier zusammen mit der SOE betrieben wurde. Die Force setzte mit schnellen Motor-Torpedobooten über den Kanal, um Aufklärungs- und Überfallmissionen an der besetzten französischen Küste und im Hinterland auszuführen.

Bei der Landung der Alliierten in Sizilien im Sommer 1943 waren vier aus dem 3. Trupp den Royal Marine Commandos 40 und 41 zugeteilt worden und unter der ersten Angriffswelle. Sie wurden als Verhörführer, Dolmetscher und Nachrichtendienstler sowie gelegentlich auch als Aufklärer hinter den feindlichen Linien eingesetzt. Beim weiteren Vormarsch aufs italienische Festland erlitten zwei Männer schwere Verwundungen.

Nahezu alle im Sommer 1944 verfügbaren Männer des 3 troop kamen dann bei der alliierten Invasion in der Normandie zum Einsatz. Die Verluste waren hoch. Schon bei einer nächtlichen Aufklärungsmission im Vorfeld war der als erster 3 trooper bereits 1943 zum Offizier beförderte George Lane in Gefangenschaft geraten. Er wurde sogar von Generalfeldmarschall Rommel persönlich befragt, ob er einer dieser Commando-Gangster sei und wisse, was die Wehrmacht mit Saboteuren mache... Darauf antwortete er so geschickt und mit typisch britischem Humor, dass Rommerl schließlich sogar für seine Sicherheit garantierte. Lanes Waliser Akzent und seine Legende hielten auch in mehreren von der Wehrmacht inszenierten Gestapo-Scheinverhören allen Tests stand. Insgesamt gesehen, kamen aber nur Lane und ein weiterer Truppangehöriger ins Kriegsgefangenenlager und überlebten dort. Von allen anderen Gefangenen hat man nie mehr etwas gehört.

Das Einsatzkonzept für die Männer des 3. Trupp bewährte sich auch bei den Kampfhandlungen in Nordwesteuropa und Deutschland bis zur Kapitulation Anfang Mai 1945. Danach profitierte das Intelligence Corps von den Deutschkenntnissen der Männer. Man setzte sie unter anderem ein, um die Kriegsgewinnler aus der Rüstungsindustrie zu verhören sowie Kriegsverbrecher der SS und der Gestapo und Untergrund-Widerstandsgruppen aufzuspüren.

Die Männer des Trupps hatten eine Reihe von Auszeichnungen erhalten. 19 waren Offiziere geworden. Nahezu alle nahmen die versprochene britische Staatsbürgerschaft an. Viele blieben in Großbritannien oder wanderten in andere englischsprachige Länder aus. Nicht zuletzt diejenigen, deren Angehörige während ihrer Abwesentheit umgebracht worden waren.

Aber immerhin gab es doch zwei, die gleich zurückkehrten. Und einige andere, die noch an Kontakten in die alte Heimat interessiert waren und später auch zu Besuch kamen.

Mehr dazu unter dem Menüpunkt Die Mentoren

Zeitgeschichtliches Bildmaterial