Niederadelige Herren und Burgvögte

Die urkundliche Erstnennung des Orts Stübig bei Scheßlitz datiert aus dem Jahr 1157: Chunibertus de Thuirstat: 1 decimam in Stubeg. Einem Chunibertus von Thuirstat (= Theuerstadt/ alter Ortsteil von Bamberg) steht in Stübig "ein Zehnt" einer Ernte zu.

So wie dieser "Kunibert" sich nach seinem Wohnort oder Besitz in Theuerstadt nennt, so nannte sich auch die in Stübig ansässige niederadelige Familie nach ihrem Wohnort und Ansitz: "Stubeg" oder ähnlich.

Die Schreibformen des Familiennamens in den Urkunden und Siegeln des 14. Jahrhunderts lauten:

Stubech, Stubeche, Stuberch, Stubich, Stupic, Stubch, Stuebch (geschrieben mit den Buchstaben "u" und hochgestelltem "e" und auch mit dem Umlaut "ü"), Stübich, Stübisch, Stübeg, Stubichiun, Stübig 

Die Stübig stammen aber mit hoher Wahrscheinlichkeit von den Förtsch von Thurnau bzw. deren Vorfahren ab, die sich Briswizze (Preuschwitz) und Menigen (Menchau) nannten.

Spätestens 1149 waren Angehörige dieses Geschlechts Dienstleute der Grafen von Diessen und Andechs geworden, die ab 1130 mit dem Aufbau eines Territoriums in Oberfranken begonnen hatten.

Weil die Gefolgsleute der Andechser 1149 an den Kämpfen gegen bischöfliche Truppen um die Burg Giech beteiligt waren, könnte sich ein Förtsch im nahe gelegenen Stübig niedergelassen, nach dem Ort seines Ansitzes genannt und so den eigenen Familienzweig der Stübig begründet haben.

Damit wäre der Name Stübig schon ab 1149/1150 anzunehmen.

Beim Namen "Neideck" handelt es sich bereits um einen Wechselnamen nach einem neuen Wohnsitz - siehe unten!  

 

1219 Erste Personennennung Neideck: "Heinrich de Nidecche"

Er tritt mehrmals als Zeuge unter den Dienstmännern des Bamberger Bischof Ekbert von Andechs auf. 

Der Name „Nideck/Neideck“ leitet sich aus dem Burgnamen „Neideck“ ab;

Bedeutung = Eck gegen den Neid der Gegner oder das streitbare, wehrhafte Eck. Ein typischer Trutzname des 12. Jahrhunderts

Heinrich nennt sich nach einer kleinen Burganlage rund um einen Wohnturm auf einem Felssporn über dem Wiesenttal gegenüber von Streitberg.

Die archäologischen, bauhistorischen und genealogischen Untersuchungen sprechen dafür, dass die Anlage spätestens gegen Ende des 12. Jahrhunderts von ihm erbaut worden ist.1 Er stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der niederadeligen Familie mit Sitz in Stübig.

Der Bau der Kleinburg über der Wiesent muss aber nicht bedeuten, dass alle Angehörigen der Stübig auch dorthin umgezogen sind. Ein Zweig der Familie könnte über eine gewisse Zeitspanne durchaus weiter am Ort Stübig und dem dortigen Ansitz gelebt haben. Siehe unten!

 

1246 erste Personennennung Stübig: "Heinrich von Stubewege"

Dieser Heinrich tritt als Zeuge des Bischofs Hermann von Würzburg auf und wird als Domherr bezeichnet.

In der damals üblichen Sitte benennt er sich nach dem Stammsitz seiner Familie bzw. seinem Herkunftsort Stübig.

 

Folgende Anhaltspunkte sprechen dafür, dass Heinrich de Nidecche und Heinrich von Stubewege aus einer Familie stammen:

  • Die Gleichheit der Vornamen ist ein erstes Indiz. Die beiden könnten die Verwandtschaftsbeziehung Vater und Enkel oder Onkel und Neffe gehabt haben. Feste Familiennamen in unserem heutigen Sinn gab es damals noch kaum. Der Zuname konnte wechseln. Zum Beispiel wenn ein neuer Wohnsitz oder ein neues Amt gegeben war. (Der Vorname Heinrich tritt dann auch in den Folgegenerationen ab dem 14. Jahrhundert noch mehrmals auf.)
  •  Kaiser Heinrich II hatte für die Gründung seines neuen Bistums Bamberg die Abtretung von Gebieten im Osten und Süden des Würzburger Bistumsterritoriums veranlasst. Dabei sind damals zu Würzburg bestehende Beziehungen und Lehensverhältnisse weiter geführt worden. Noch im 14. Jahrhundert bezogen Angehörige der Familie Zehnteinkünfte aus Würzburger Lehen. So erscheint es plausibel, dass eine Person dem Bischof von Bamberg dienen konnte und eine andere dem Bischof von Würzburg.
  • Das einzigartige Verhältnis der Familie zur Burg Neideck - ab Beginn des 14. Jahrhunderts auch urkundlich nachweisbar! Sie stellt beinahe lückenlos von 1303 bis etwa 1460 Vögte und Burgmänner. Der erste überhaupt namentlich überlieferte Vogt auf der 1248/49 von den Edelherren Schlüsselberg übernommenen und weiter ausgebauten Burg ist "Walthro dicto Stubech, officiato in Neydeke..."  Im Zeitraum von rund 150 Jahren treten mehr als 20 Personen mit Wechsel- und Doppelnamen Stübig/ Neideck auf. Sie stehen alle mit der Burg Neideck in Verbindung.
  • Als Erstname überwiegt Stübig. Hin und wieder wird die Zusatzbezeichnung "zu Neideck" oder etwa "Burgmann zu Neideck" verwendet. Nur vier Personen haben Neideck als alleinigen Namen. Siehe auch "Personen/ Namensträger"!
  • All das ist nur so erklärbar, dass die Familie das Erbe und Vermächtnis des 1219 genannten Vorfahren Heinrich de Nidecche fortgeführt hat. Seine Nachkommen bewohnen die Burg weiterhin als abhängige Dienstleute. Sie bewahren die Erinnerung an ihre Herkunft und edle Abstammung durch den Namen Stübig.

 

Wolfhard Vahls 1997 erschienene Forschungsarbeit über Fränkische Rittersiegel des 13. und 14. Jahrhunderts bestätigt, dass die Stübig im 14. Jahrhundert ein etabliertes Rittergeschlecht waren.2

Gleichzeitig wird ihre ältere Familiengeschichte erkennbar.

Vahl hat 11 Siegel der Stübig entdeckt und vergleichend ausgewertet.

Damit wurde der Fehler der früheren Adelsforscher in Bezug auf die Stübig korrigiert: Paul Oesterreicher und später auch Gustav Voit hatten in ihren Werken den Stübig/Neideck das Wappen eines aus der Mark Krain im heutigen Slowenien stammenden Adelsgeschlechts mit Namen Neideck zugeordnet.3 Dieses Wappen mit drei schrägbalkenweise angeordneten Jakobsmuscheln unterscheidet sich völlig von dem der Stübig: drei bis sieben Spitzen, schrägrechts eingebogen!

Die Stübig-Heraldik ähnelt den Siegel-/Wappenbildern der Modschiedel, der Fellendorf und der Förtsch, was auf eine Verbindung/ Verwandtschaft der Familien untereinander hindeutet. (Siehe Wappenabbildungen!)

Die Förtsche dürften dabei das Stammgeschlecht gewesen sein.

Als Edelfreie im Raum zwischen Bayreuth und Kulmbach wurden sie spätestens 1149 Ministerialen der Grafen von Diessen und Andechs, die ab 1130 mit dem Aufbau eines Territoriums in Oberfranken begannen und auch drei Bischöfe stellten. Die Machtzentren der späteren "Adechs-Meranier" lagen um die Burgen Lichtenfels und Niesten bei Weismain, im Raum um die Giechburg und Scheßlitz sowie im Raum Kulmbach und Bayreuth.

 

1 Die Bamberger Mittelalter-Archäologen haben von 1998 bis 2000 auf der Neideck gegraben. Man hat die Fundamente eines mächtigen Rundturms und eine Zisterne schon aus salischer Zeit (ab 1024 n. Chr.) nachgewiesen. Das bedeutet, dass bereits nach der Gründung des Bistums Bamberg im Jahr 1007 eine Burganlage entstanden ist und daher wahrscheinlich der Bischof Bauherr und Eigentümer war. Über diese erste Burg gibt es keinerlei schriftliche Unterlagen.

Die Stübig/ Neideck besaßen im 14./15. Jahrhundert ein Gut innnerhalb der vergrößerten Burg und bewirtschafteten oder verwalteten auch im näheren Umkreis der Burg noch Burggüter bzw. Lehen.

Die Archäologen datieren die Entstehung des Wohnturms der Burg Neideck auf die zweite Hälfte des 12. Jahrhundert und bringen den Ministerialen „Heinrich de Nidecche“ mit seinem Bau in Verbidung.

Wahrscheinlich wurde erst diese kleine Nebenburg auf dem Felssporn über der Wiesent „Neideck“ genannt und dann 1219 für die Person Heinrich Namen gebend. 1248/49 übernahmen die grafengleichen Edelherren Schlüsselberg die Burg und erweiterten sie 1285/86 um zwei Vorburgen

Die Stübig/ Neideck haben (von 1303 bis 1347 auch schriftlich belegt) den Edelherren von Schlüsselberg gedient. Durch den gewaltsamen Tod des letzten Schlüsselbergers Konrad II fiel die Burg an das Bistum Bamberg und die Familie kam (wieder) in bischöfliche Dienste.

2Wolfhard Vahl; Fränkische Rittersiegel; Eine sphragisch-prosophographische Studie über den fränkischen Niederadel zwischen Regnitz, Pegnitz und Obermain im 13. und 14. Jahrhundert; 1997 Verlag Degener & Co.

3Paul Oesterreicher; Die Burg Neideck; Bamberg 1819

Gustav Voit; Der Adel am Obermain; Genealogie edler und ministerialer Geschlechter vom 11. bis 14. Jahrhundert; Die Plasssenburg, Band 28, Kulmbach 1969

Gustav Voit; Die Schlüsselberger; Geschichte eines fränkischen Adelsgeschlechts; Altnürnberger Landschaft; Nürnberg 1988